To baby or not to baby? - Kinderfotos im Netz

Bilder von strahlenden Kindern berühren unser Herz. So unschuldig blicken sie drein, die lieben Kleinen. So pur. So rein. So witzig. So hoffnungsfroh, dass es uns Erwachsenen warm wird ums Herz. Das sogenannte Kindchenschema löst bei uns als Schlüsselreiz das Bedürfnis aus, die Minis zu beschützen, - und ist in der Evolutionsgeschichte ein wichtiger Überlebensfaktor gewesen. Ein Politiker, der sich mit einem lächelnden Kind und obligatorischem Blumenstrauß ablichten lässt, kann (eigentlich) kein schlechter Mensch sein. Die Unschuld des niedlichen Kindes spiegelt sich im Blick des Staatsmannes wieder und er hofft, dass dies auf ihn abfärben möge.
Und wir, wir sind so stolz auf unseren Nachwuchs, dass wir gerne laut in die Welt hinein rufen möchten, schaut mal, das ist mein Kind! Ist es nicht fantastisch? Ist es nicht einzigartig? Und seht Ihr, ja, es ist mein Kind. Es trägt meine Gene. Und es ist wunderbar! (Und es ist natürlich auch ein wenig wie ich.)
Deshalb posten wir stolz wie Oskar rund um die Uhr, rund um den Erdball und am liebsten von Geburt an die Fotos von den lieben Kleinen, damit jeder an unserem unendlichen Glück teilhaben kann. Schaut mal, das ist….

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,

Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.

So schrieb der libanesische Dichter Khalil Gibran. Und so wird mir jedes Mal ein wenig unwohl, wenn ich auf den diversen Plattformen des Web2.0 die Fotos sehe, die stolze und glückliche Eltern von ihren Kindern veröffentlichen und frage mich, ob uns eigentlich bewusst ist, was wir da tun? Ist uns bewusst, dass auch Kinder ein Recht auf den Schutz ihrer Privatsphäre haben? Als Eltern haben wir die Verantwortung, unsere Kinder zu beschützen. Das gilt aber auch für die Privatsphäre unserer Kinder, die selbst noch keine Entscheidung treffen können, ob ihre Badewannen-Pausbäckchen-Fotos weltweit und für jeden zugänglich gemacht werden sollen.

In den Nutzungsbedingungen von Facebook heißt es: „Für Inhalte wie Fotos und Videos, die unter die Rechte an geistigem Eigentum fallen, („IP-Inhalte“) erteilst du uns, sofern du in deinen Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen nichts anderes einstellst, die folgende Erlaubnis: Du gibst uns eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jeglicher IP-Inhalte, die du auf oder im Zusammenhang mit Facebook postest („IP-Lizenz“). Diese IP-Lizenz endet, wenn du deine IP-Inhalte oder dein Konto löschst, außer deine Inhalte wurden mit anderen Nutzern geteilt und diese haben die Inhalte nicht gelöscht.“ - „Wenn du die Einstellung „öffentlich“ bei der Veröffentlichung von Inhalten oder Informationen verwendest, können alle Personen, einschließlich solcher, die Facebook nicht verwenden, auf diese Informationen zugreifen, sie verwenden und sie mit dir (d. h. deinem Namen und Profilbild) assoziieren.“

Und was ist, wenn die Kinder in dem Alter sind, dass sie selbst Entscheidungen treffen können? Diese Frage sollten wir uns im Hinterkopf unbedingt stellen. Wird eine Pubertierende, oder noch weiter gedacht, werden ein Schuldirektor, eine Ärztin, ein Wirtschaftsboss oder eine Regierungschefin eines Tages glücklich darüber sein, dass ihnen stolze Eltern einst von Geburt an eine eigene öffentliche Facebook-Chronik eingerichtet haben? Oder werden sie möglicherweise vor Peinlichkeit im Erdboden versinken?

Ich möchte die Plattformen des Social Web nicht verteufeln, im Gegenteil. Social Media sind eine wunderbare Möglichkeit, mit Menschen weltweit in Kontakt zu sein, zu kommunizieren, Inhalte auszutauschen. Aber wir sollten zwischendurch immer auch wieder mal die Konsequenzen unseres Tuns hinterfragen.

Und wenn die Tante in Alaska unbedingt den jüngsten Nachwuchs zu Gesicht bekommen soll, dann kann das über die Privacy-Einstellungen jeweils wunderbar geregelt werden, dass sie das Foto sieht. Nur sie. Oder auch die internetaffine Oma in Buxtehude und die beste Freundin nebenan. Und es gibt auch für den öffentlichen Gebrauch – wenn es dann trotz allen Nachdenkens unbedingt sein muss, - die Möglichkeit, Bilder auszuwählen, auf denen unsere Kinder nicht identifizierbar sind. Eben, „weil sie es uns wert sind.“

Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und Töchter der Sehnsucht des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts, noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und Er spannt euch mit Seiner Macht, damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt euren Bogen von der Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie Er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran, libanesischer Dichter, 1883-1931

Für alle, die grundsätzlich von Baby-Fotos auf Facebook genervt sind, gibt es übrigens ein neues Tool, das sich innerhalb kürzester Zeit einer immer größer werdenden Beliebtheit erfreut. Die Chrome-Extension Unbaby.me entfernt alle Babybilder der Freunde dauerhaft aus dem eigenen Newsfeed, zum Beispiel bei Facebook.

Link-Tipps
https://www.facebook.com/Keine.Kinderfotos.im.Social.Web
http://www.last-voice.de/zeigt-den-kindern-die-welt-nicht-die-kinder-de…
http://henningbulka.com/?p=1564
http://unbaby.me/
http://www.golem.de/news/unbaby-me-babys-raus-aus-meinem-newsfeed-1208-…
http://www.mimikama.at/allgemein/fotos-von-kindern-auf-facebook/

Khalil Gibran “Von den Kindern” : http://www.youtube.com/watch?v=UouuceL54m0

Nachtrag 19.09.2012

Was übrigens Fotos von "Fremdkindern" betrifft, so gilt: "Bei Minderjährigen unter 14 Jahren sowie bei kommerzieller Nutzung von Abbildungen Minderjähriger sollten Sie nicht nur diese, sondern auch die Eltern nach der Einwilligung fragen."
Zitiert nach: Thomas Schwenke, Social Media Marketing & Recht, Köln 2012, S. 119.
https://www.facebook.com/raschwenke



Nicola Rössert

Nicola Rössert arbeitet seit Juli 2011 als Projektmanagerin bei Vernetzte Kirche. Neben diversen kommunikativen und administrativen Aufgaben ist sie vor allem für die Kinderseite kirche-entdecken.de sowie die weite Welt der Social Media zuständig und berät das Kirche-Entdecken-Maskottchen @kira_elster_official in Sachen Instagram. In unserem Blog schreibt Nicola Rössert zu Themen rund um das Web 2.0. und immer wieder auch darüber, warum gute und sichere Internetangeboten für Kinder wichtig sind.