Alle reden über dieses ganze Facebook- und Twitter-Zeugs und Sie denken sich, muss ich mich damit jetzt etwa auch noch beschäftigen? Mich mit meinen Konfis auf Facebook befreunden, oder was? Meine Predigt posten? Gottesdiensttermine twittern? Was soll ich denn nicht noch alles machen?
Natürlich muss niemand müssen. Wie viel man sich damit aber möglicherweise entgehen lässt, wenn man das Thema Social Media ignoriert und wieviel Vergnügen man unter Umständen haben kann, wenn man sich darauf einlässt, das kann man in dem Buch "Social Media in der Gemeinde" nachlesen, das Ralf Peter Reimann (Internetbeauftragter der Rheinischen Landeskirche) und Mechthild Werner (Social-Media-Pfarrerin der Landeskirche Pfalz) 2013 zusammen herausgegeben haben.
Von der digitalen Herzensbildung
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Der erste Teil führt zunächst in die Grundlagen ein. Im Zwiegespräch erörtern die Herausgeber die drei großen Fragen: Was sind soziale Netzwerke? Was sollen soziale Netzwerke? Was dürfen soziale Netzwerke? Mechthild Werner und Ralf Peter Reimann wechseln sich mit ihren Erläuterungen ab, ergänzen sich und schildern sehr authentisch auch ihre persönlichen Erfahrungen mit dem "Mitmach-Netz, in dem Menschen gemeinsam, sprich: sozial, Inhalte teilen." Diese abwechselnden Betrachtungsweisen, die vielen konkreten Beispiele und der unterhaltsame Schreibstil lockern die Thematik auf und machen das Buch sehr gut lesbar. Ohne sich durch dröge Erklärungen arbeiten zu müssen, ist man plötzlich mitten drin in der Thematik. Natürlich erfährt man auch einiges zum Thema Datensicherheit und den weniger schönen Seiten von Facebook und Co. Und dennoch macht die Lektüre neugierig, mehr über das Universum der sozialen Netzwerke zu erfahren und vielleicht doch einen vorsichtigen Schritt in diese Welt hinein zu wagen. Denn eins wird einem bei der Lektüre auch klar gemacht, wir müssen uns "zu der Welt der Netzwerke verhalten, in der unsere Konfis und Kinder leben." Dabei schließen sich die Autoren der Forderung der Internet-Ikone Sascha Lobo an, dass es letztlich nicht nur um technische, sondern auch um menschliche Kompetenz gehe: Gefragt sei eine breite gesellschaftliche Diskussion, eine "digitale Herzensbildung". Eine Debattenkultur, an der sich Christen unbedingt beteiligen müssen: Denn, das stellen die Autoren klar, "wir Menschen sind auch als User, d.h. Internet-Nutzer, zugleich Sünder und Gerechte."
Ich will euch zu Menschenfischern machen
Im zweiten Teil des Buches erläutern Werner/Reimann anhand von anschaulichen Praxisbeispielen die diversen Möglichkeiten, den christlichen Auftrag, als Menschenfischer in alle Welt zu gehen, im Netz zu erfüllen. "Was Martin Luther im Zeitalter des Buchdrucks gesagt hat, gilt auch zu Internetzeiten: 'Evangelium aber heißet nichts anderes, denn ein Predigt und Geschrei von der Gnade und Barmherzigkeit Gottes, durch den Herren Christum mit seinem Tod verdienet und erworben. Und ist eigentlich nicht das, was in Büchern stehet und in Buchstaben verfasset wird. Sondern mehr eine mündliche Predigt und lebendiges Wort und eine Stimme, die da in die ganze Welt erschallet und öffentlich wird ausgeschrien, dass man's überall höret.'" Tatsache ist auch, dass "für viele Menschen die Netzwerke der einzige Ort sind, an dem sie über Religion und Kirche ins Gespräch kommen oder seelsorgerliche Beratung in Anspruch nehmen."
Die Fragen, die im zweiten Teil des Buches von den beiden Herausgebern erörtet werden, lauten, warum netzwerken? Wie sich vernetzen? Wie sich zeigen? Und wie mache ich das am besten? Worauf muss ich achten?
Im dritten "Fortgeschrittenen"-Teil stellen verschiedene Autoren die Social-Media-Kanäle Blog, Facebook, Twitter, Youtube & Co., Google+ und diverse Apps anhand von konkreten Beispielen und eigenen Erfahrungen vor.
Vielleicht bleiben Sie letztlich bei Ihrem Urteil, Social Media brauche ich für mich und meine Gemeinde oder Einrichtung nicht. Das vorgestellte Buch "Social Media in der Gemeinde" sollten Sie in jedem Falle vorher gelesen haben! Denn beurteilen sollte man nur etwas, worüber man auch informiert ist. Das Schöne an dem Buch ist in jedem Falle, dass es die Informationen sehr anschaulich und teils auch durchaus kritisch aufbereitet. Aber es macht letztlich auch ein klein wenig neugierig. - Und vielleicht überlegen Sie es sich am Ende doch noch, es mit diesem Facebooken, Twittern oder Bloggen zu versuchen?
Social Media werden sozial
Welch soziales Potential Social Media tatsächlich bergen, lässt sich übrigens auf den diversen Facebook-Seiten verfolgen, die anlässlich der Hochwasser-Katastrophe Anfang Juni 2013 meist ehrenamtlich aufgestellt und betreut wurden. Hier verbreiteten sich zwar immer wieder auch Gerüchte und Falschmeldungen, aber grundsätzlich gab/gibt es hier top-aktuelle Informationen über die Situation vor Ort. Es wurden/werden auf unkonventionelle aber sehr professionelle Weise die unterschiedlichsten Hilfsaktionen koordiniert. Organisiert. Vernetzt. Aufgeklärt. Zuspruch gewährt. Fakten weitergegeben. Trost gespendet. Aufgemuntert. Zum Mitmachen und Helfen ermuntert. Die Seite für Bayern kam innerhalb von nur 8 Tagen auf 133.000 "Gefällt-mir"-Angaben! (Die Süddeutsche Zeitung hat beispielsweise im Vergleich nur gut 77.000 Likes bei Facebook.)
Social Media in der Gemeinde
herausgegeben von Mechthild Werner und Ralf Peter Reimann
Medienverband der Evangelischen Kirche im Rheinland 2013
Taschenbuch, 80 Seiten, € 9,90
Linktipps:
Blogs der Autoren von "Social Media in der Gemeinde":
http://theonetde.wordpress.com/
http://blog.evkirchepfalz.de/
(Hier auch ein interessanter Beitrag von Ko-Autor Alexander Ebel, der sich die Frage stellt, warum soviele Menschen es ablehnen, sich mit der Welt der Social Media vertraut zu machen.)
http://www.kuschelkirche.de/
http://pastorenstueckchen.de/
Twitter:
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